Zweites Positionspapier des Flüchtlingsrats Dinslaken

September 2016

INTEGRATION MUSS IM VORDERGRUND STEHEN

Stellungnahme zum Flüchtlingskonzept Dinslaken

 

Der Flüchtlingsrat Dinslaken begrüßt, dass die Stadt Dinslaken ein erstes Flüchtlingskonzept vorgelegt hat. Allerdings bedauern wir gleichzeitig, dass wir nicht, wie auf Seite 6 behauptet wird, „maßgeblich“ daran beteiligt wurden.

Im Flüchtlingsrat Dinslaken kommen viele verschiedene Menschen zusammen, die aufgrund ihrer Arbeit mit den geflüchteten Menschen das Konzept hätten bereichern können. Wir hoffen, dass unsere Stellungnahme dazu führen wird, dass der Rat der Stadt Dinslaken die Verabschiedung des Konzepts verschiebt und die Beteiligung vielfältiger Akteure nachgeholt wird. Zumindest aber fordern wir, sollte dem Papier schon im nächsten Rat zugestimmt werden, dass die versprochene Fortschreibung des Konzepts unverzüglich und unter Beteiligung dieser Akteure vorgenommen wird.

Zunächst wollen wir festhalten, dass wir das bundespolitische Konzept der sogenannten „sicheren Bleibeperspektive“ deutlich in Frage stellen und uns an die Seite der Kirchen und vieler Nichtregierungsorganisationen wie PRO ASYL, Amnesty International, die Landesflüchtlingsräte u.a. stellen, die dieses Konzept zurecht ablehnen. Ebenso stellen wir die „Liste der sicheren Herkunftsländer" explizit in Frage.

Im Weiteren beschränken wir uns aber auf die Kommentierung der Aspekte, die die Situation der geflüchteten Menschen in der Stadt Dinslaken darstellen.

Unsere Hauptkritik an dem vorgelegten Konzept ist die Schönfärberei. Wir wollen dies an den Aspekten „Wohnsituation“, „Betreuungssituation“ und „Medizinische Versorgung“ darlegen.

Zur Wohnsituation – hin zur dezentralen Unterbringung

Die Stadt Dinslaken setzt weiterhin auf den mehrheitlichen Verbleib der Flüchtlinge in der Fliehburg bzw. ergreift keine effektiven Maßnahmen, den schönen Vorsatz einer dezentralen Unterbringung umzusetzen. Wir haben bereits in unserem ersten Positionspapier darauf aufmerksam gemacht, dass es eine vertane Chance für unsere Stadtgesellschaft und die Integration der Menschen ist, wenn wir an der zentralen Unterbringung der Mehrheit der Flüchtlinge festhalten. Um sich zu Beginn erst mal in Dinslaken zurechtzufinden, ist nichts gegen einen kurzen Aufenthalt in der Fliehburg einzuwenden, um eine Anfangsbetreuung sicherzustellen.

Wie das Flüchtlingskonzept auf Seite 14 richtig feststellt „ist ein längerer Aufenthalt in einer sehr großen Gemeinschaftsunterkunft belastend für die Bewohner und führt zu einem erhöhten Konfliktpotenzial.“ Dies ist umso mehr für die Menschen bedrückend, die nur aufgrund ihres Herkunftslands zurzeit keine Perspektive erhalten, die Fliehburg verlassen zu können. Gerade auch aufgrund des Konzepts der sogenannten sicheren Bleibeperspektive, geraten nämlich die vielen Einzelfälle aus anderen Herkunftsländern aus dem Blickfeld, für die es immer schwieriger wird, aus der Fliehburg auszuziehen, wie wir es in unserer täglichen Arbeit erfahren.

Da es sich bei der Fliehburg um ein Übergangswohnheim handelt, sollte die Stadt eine maximale Verweildauer festlegen.

Wir fordern die Stadt auf, verstärkt nach freiem Wohnraum überall im Stadtgebiet zu suchen und ggf. über ein Anschreiben des Bürgermeisters an alle Hausbesitzer/Vermieter Bedenken aus dem Weg zu räumen. Wir betonen hier ausdrücklich das gesamte Stadtgebiet, da es uns mit Sorge erfüllt, dass wir trotz der Lippenbekenntnisse gegen eine Ghettoisierung (S. 18 des Konzepts) einen vermehrten Zuzug nach Lohberg beobachten. Hier muss die Stadt Alternativen zum günstigen Wohnraum in Lohberg schaffen. Der einzige Hebel um eine Ghettoisierung Lohbergs zu verhindern, ist die Schaffung von finanzierbarem (geeignetem, preisgünstigem) Wohnraum im weiteren Stadtgebiet.

Zur Wohnsituation in der Fliehburg

Solange Menschen in der Fliehburg wohnen müssen, ist es notwendig die Wohnsituation dort weiter zu verbessern.

Die Fliehburg entspricht in vielen Punkten nicht den Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften wie sie vom Bundesfamilienministerium zusammen mit UNICEF erarbeitet worden sind. Wir hören z.B. immer wieder, dass Frauen sich nachts nicht auf die Toiletten trauen, weil sie nicht abzuschließen sind – um nur ein einfaches aber eindrückliches Beispiel zu nennen.

Das Flüchtlingskonzept muss gerade auch deswegen maßgeblich überarbeitet werden und darf so nicht vom Rat verabschiedet werden.

Dass die Mindeststandards bislang keinen Einfluss auf das Flüchtlingskonzept genommen haben, ist gerade auch deshalb verwunderlich, weil es unter Federführung des Bundesfamilienministeriums und unter Beteiligung des deutschen Caritasverbandes erstellt wurde.

Die Stadt muss in der Fliehburg die in den Mindeststandards festgelegten Maßnahmen vom Betreiber der Einrichtung, nämlich der Caritas, einfordern, z.B. die Erstellung eines internen Schutzkonzeptes. Unser Eindruck ist, dass die Bewohner oft nicht richtig geschützt sind – beispielsweise werden Hausverbote nicht wirksam umgesetzt, es gibt tätliche Übergriffe und wir beobachten besonders nachts und abends, Geschäfte zweifelhafter Art auf den Zufahrten zur Fliehburg.

Betreuungssituation in der Fliehburg

Wir begrüßen, dass das Konzept viele Betreuungsangebote durch die Caritas vorsieht und vorstellt. Wir müssen jedoch mit Bedauern festhalten, dass diese so noch nicht stattfinden. Darüber hinaus fordern wir, dass auch die Betreuungsangebote außerhalb der Fliehburg verstärkt bekannt gemacht werden. Wir glauben, dass der Weg in die Stadt der Integration dienlich ist. Deshalb muss die Anbindung an den  ÖPNV unbedingt geschehen.

Wir begrüßen ebenfalls die Einrichtung einer traumatherapeutischen Stelle in der Fliehburg. Diese sollte intensiv mit den weiteren Stellen für die Traumatherapie (z.B. PSZ Niederrhein) zusammenarbeiten.

Medizinische Versorgung in der Fliehburg

Der im Konzept auf Seite 32 beschriebene Kinderarzt ist in der Fliehburg nicht vorzufinden. Wenn Frau Jahnke-Horstmann auf Nachfrage zugeben muss, dass „ehrenamtlich bis jetzt kein Arzt“ in die Fliehburg kommt, dann müssen finanzielle Mittel für eine solche Grundversorgung bereitgestellt werden.

Fazit

Das Flüchtlingskonzept Dinslaken bleibt an vielen Stellen zu unkonkret. Es werden Aufgabenbereiche genannt und nicht näher erläutert (z.B. S. 33 Sexualpädagogik, Sekten/Psychokulte) und oft bleibt unklar, wer die Aufgabenbereiche erfüllt.

Das Konzept wirft viele Fragen auf, die wir gerne im Rahmen einer tatsächlichen „maßgeblichen Beteiligung“ an dem Konzept klären würden. Für den Flüchtlingsrat Dinslaken bleibt dabei im Vordergrund:

Integration durch dezentrale Unterbringung und eine vielfältige, vernetzte, kooperierende und partnerschaftliche Zusammenarbeit der Stadt mit den verschiedenen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Akteuren in und außerhalb der Fliehburg.

 


 

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